Samstag, 18. Mai 2024
Aus jenem fernen Land weht tödlich Atem mir ins Herz
Ich musste eine Grabrede halten. Auf meinen besten Freund in diesem fernen Land. Auf dem Friedhof des Neujungfrauenklosters. Nikolai Wassiljewitsch Gogol ruht hier, auch Michail Afanassjewitsch Bulgakow, der große Meister. Doch auch Nikolai Erastowitsch Bersarin, welch seltsame Fügung.

Ich erkenne dieses Land nicht wieder.

Nie war der Schneematsch grauer, so grau wie die Gesichter der uniformierten Beobachter der Bestattung, steinern wie die Mauern auf dem Platz, den sie den "schönen" nennen.

Verloren ist mir die Seele dieses Landes.

(mit Anleihen an A.E. Housman)



Montag, 26. Februar 2024
Man stelle sich mal vor
Auf der Berlinale hätte ein kurdischer Film gewonnen, und die Filmemacher hätten beklagt, dass Erdogan in Syrien und der Türkei Kurden abschlachten lässt. Der türkische Botschafter hätte darauf heftig protestiert und der Kulturszene Antiislamismus und Antiturkismus vorgeworfen.

Wie wäre wohl die politische Reaktion darauf ausgefallen?

Und nein, ich halte den Vorwurf des Genozids an Israel nicht für angemessen. Der IGH ist allerdings immerhin der Meinung, dass man dem nachgehen müsse. Jedenfalls müsse Israel mehr tun, um genozidale Aktionen zu verhindern.

Ja, die Vorwürfe auf der Berlinale waren größtenteils sehr einseitig formuliert. Grund genug für schattenwerfende Zwerge, gleich die Förderung von Kultur ganz einzustellen.

Zitat aus dem Schauspiel "Schlageter" (1933), von Hanns Johst (1890-1978):

"Nein, zehn Schritt vom Leibe mit dem ganzen Weltanschauungssalat... Hier wird scharf geschossen! Wenn ich Kultur höre... entsichere ich meinen Browning!"

PS: Das Traurige an der Berlinale ist nicht, was gesagt wurde. Sondern dass es unwidersprochen blieb.



Freitag, 16. Februar 2024
Mort à crédit
RIP, Alexei Anatoljewitsch Nawalny.



Montag, 12. Februar 2024
Marina Zwetajewa nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Prag
Klage des Zorns und der Liebe!
Salz, das auf Augen ruht!
Oh, und Böhmen in Tränen!
Oh, und Spanien im Blut!

O schwarzer Berg, der du das
Licht verdunkelt hast!
Zeit ists, Zeit, dem Schöpfer
hinzuwerfen den Paß.

Ich weigre mich, zu leben
im Tollhaus, unter Vieh.
Ich weigre mich, ich heule
mit den Wölfen nie.

Ich weigre mich, zu schwimmen
als Hai des Lands, stromab
den Strom gebeugter Rücken —
ich weigre mich, lehn ab.

Ablehn ich, daß ich höre,
ablehn ich, daß ich seh.
Auf deine Welt des Irrsinns
gibt es nur eins: ich geh.

Frei übersetzt von Karl Mickel

(Aus dem Zyklus von "Gedichten an das Tschechenland", in denen sie ihr ehemals geliebtes Deutschland scharf verurteilt und sich mit der Tschechoslowakei, die ihr Zuflucht geboten hatte, solidarisiert.)

Das Original:

О слёзы на глазах!
Плач гнева и любви!
О Чехия в слезах!
Испания в крови!

О чёрная гора,
Затмившая весь свет!
Пора, пора, пора
Творцу вернуть билет.

Отказываюсь быть.
В Бедламе нелюде́й
Отказываюсь жить.
С волками площадей

Отказываюсь выть.
С акулами равнин
Отказываюсь плыть
Вниз по теченью спин.

Не надо мне ни дыр
Ушных, ни вещих глаз.
На твой безумный мир
Ответ один — отказ.