(Dianatempel im Hofgarten)
Seit vielen Jahren pflege ich ein Ritual. Mit oder ohne charmante Begleitung (lieber mit) gehe ich am ersten schönen Apriltag in den Münchner Hofgarten, um mehr oder weniger leise die ersten Zeilen von T.S. Eliots Gedicht zu deklamieren. Leider ist es mir bisher nicht gelungen, eine Begleiterin zu finden, die Marie heißt und aus Litauen stammt, "echt deutsch". Aber das kann ja noch werden. Mixing memory and desire...
Eigentlich wollte ich schon am Sonntag gehen, aber die Gefahr, dann von einem Polizisten verscheucht zu werden, war mir zu hoch.
Also heute, immerhin in reizender und kultivierter Begleitung, und das sogar, da nicht zum Haushalt gehörend, eine unter das mit 150 Euro abzustrafende Kontaktverbot fallende. Gut, dass sich kein Hofgartenpolizist findet.
Es ist auch wärmer als am Sonntag, der Wind zupft nicht mehr kühl, sondern streicht fast mediterran-mild übers Gesicht.
(Tambosi am Odeonsplatz)
Der Weg führt zunächst zum Odeonsplatz. Beim Café Tambosi, auf dessen Terrasse der Monaco Franze die ersten Strahlen des Vorfrühlings genoss, geht es hinein, zu den Kolonnaden mit historistischen Fresken, die Heldentaten bayrischer Fürsten, Könige und Kaiser (ja, wir hatten einen!) zeigen.
(Krönung Kaiser Ludwigs des Bayern)
Das "we drank coffee, and talked for an hour" verkneifen wir uns, denn in den Kolonnaden hat nur ein Starbucks auf, und dessen Latte Macchiato im Pappbecher für 4,90 Euro sind nicht nur literarisch eine Zumutung.
Viele Bänke, auch auf den sonnigen Seiten, sind frei, auch der Blick auf den Dianatempel, in dem an lauen Sommerabenden Paare Tango tanzen. Wir gucken in den unglaublich blauen Himmel, stellen fest, dass die Natur im Hofgarten einige Tage Rückstand zum Isarufer hat, schmähen das architektonische Monstrum der Staatskanzlei und spazieren dann weiter zum Finanzgarten.
Kurz vor dem Eingang blüht, wie immer um die Zeit, ein Forsythienstrauch. Im Finanzgarten selbst kaum ein Mensch. Das Verkehrsrauschen aus der Richtung Von-der-Tann-Straße ist merklich leiser als sonst an einem Werktag, und so liefern sich Amsel und Buchfink wahre Gesangsschlachten, in die sich auch noch eine gurrende Taube einmischt.
(Eingang zum Finanzgarten)
Wir sitzen, völlig ungestört von Ordnungshütern und Spaziergängern, auf einer Bank, blicken in zartgrüne Baumwipfel und den noch immer unfassbar blauen Himmel, an dem ein einsames Flugzeug Kondensstreifen zieht. Die Begleiterin zückt das Smartphone und guckt bei Flightradar24 nach: Es kann nur Ryanair auf dem Weg von Dublin nach Athen sein. Man findet halt wirklich alles im Netz. Natürlich auch die Temperatur: 21 Grad.
Summer surprised us...
PS: Habe ein Foto vom 6.April 2007 gefunden. Also gleicher Tag, gleicher Ort. Wie man sieht war die Natur schon ein paar Tage weiter.

Þar kemr inn dimmi
dreki fljúgandi,
naðr fránn neðan
frá Niðafjöllum;
berr sér í fjöðrum
— flýgr völl yfir —
Niðhöggr nái.
Nú man hon sökkvask.
Der düstre Drache
tief drunten fliegt,
die schillernde Schlange,
aus Schluchtendunkel.
Er fliegt übers Feld;
im Fittich trägt
Nidhögg die Toten:
nun versinkt er.
– Völuspá
Am Münchner Rathaus (am westlichen Eck zur Weinstraße) windet sich ein kupferner Lindwurm über dem Erdgeschoss an einem neugotischen Ecktürmchen des Münchner Rathauses hoch. Hier soll er einst aus der Erde gekrochen sein. Er blies seinen giftigen Atem in die Straßen und brachte so die Pest in die Stadt.
Der schwarze Tod kostete in den 1630er Jahren mehr als 7000 Münchnern das Leben.
Die Tauben allerdings kacken drauf, daher das Netz.